- Biodiesel aus Palmöl wird womöglich in China umetikettiert und als klimafreundlicher Biokraftstoff aus Reststoffen nach Europa verkauft
- Hohe Gewinne, unzureichende Kontrollen und Fake-Klimaschutz
- Verbio-Chef Claus Sauter warnt vor möglicher Ausweitung auf andere Industriebereiche
Link zur Sendung vom 28.11.2023: Panorama 3: Fake-Biodiesel aus China? | ARD Mediathek
Leipzig, 5. Dezember 2023 – Panorama 3 (NDR) veröffentlicht in seiner aktuellen Sendung vom 28.11.2023 investigative Recherche-Ergebnisse zum Verdacht falsch etikettierter Biodieselimporte aus China nach Deutschland. Die Spuren führen zu einem Hafen auf der Insel Hainan im Südchinesischen Meer. Dort soll die Umetikettierung der Ware stattgefunden haben, berichtet ein Zeuge. Der Biodieselhändler, der anonym bleiben möchte, erklärt, dass Palmölbiodiesel als Biodiesel aus Altspeisefetten oder Abfällen aus der Palmölproduktion umetikettiert und nach Europa weiterverkauft wurde.
Seit Anfang 2023 kann Biodiesel aus Palmöl in Deutschland nicht mehr auf die Erfüllung der Treibhausgasreduktionsquote (THG-Quote) angerechnet werden. Biodiesel aus Altspeisefetten und Abfällen wird hingegen sogar mit einem Anrechnungsbonus im Sinne des Klimaschutzes versehen.
Auslöser der Recherchen war der sprunghafte Anstieg von Importen für sogenannten fortschrittlichen Biodiesel auf Reststoffbasis aus China seit Beginn des Jahres. Dieser wurde von Marktteilnehmern beobachtet, kurz nachdem Deutschland die Regeln für die Anrechenbarkeit von Biodiesel unterschiedlicher Rohstoffbasis veränderte, um vor allem die Verwendung von Palmöl zu stoppen. Es wird seit Langem kritisiert, dass für den Anbau von Palmölplantagen Regenwald zerstört und der Klimaschutz gefährdet – statt gefördert – wird.
Ein Geschäft „attraktiver als Drogenhandel“
Seit der Gesetzesänderung ist der Import von Biodiesel aus Abfallstoffen nach Deutschland für Importeure besonders attraktiv, weil dieser doppelt auf die Reduktion von Treibhausgasen angerechnet werden kann.
„Es geht dabei wirklich um viel Geld. Das ist attraktiver als Drogenhandel“, betont Claus Sauter, Vorstandsvorsitzender von Verbio, im Panorama 3-Beitrag.
Profiteure sind unter anderem die Mineralölgesellschaften. Sie mischen fossilem Diesel bis zu sieben Prozent Biodiesel bei, um die gesetzlich vorgeschriebenen Umweltziele zu erreichen. Konsequenzen aus Betrugsfällen müssen sie bisher nicht fürchten: Ein einmal erteiltes Zertifikat für nachhaltigen Biodiesel genießt im Markt Vertrauensschutz. Konkret äußern wollten sich die Mineralölkonzerne laut Panorama 3 dazu nicht.
Der Preisinformationsdienst Argus Media gibt für das laufende Jahr Gewinne zwischen 300 und 565 Dollar pro Tonne an. Die Gesamtgewinne dürften sich auf mehrere hundert Millionen Euro belaufen.
„Das ist ein neuer Dieselskandal: diesmal wird nicht die Hardware manipuliert, sondern der Kraftstoff“, sagt Energieexperte Claus Sauter. „Am Ende leiden nicht nur die Biokraftstoffproduzenten, sondern die gesamte grüne Industrie in Deutschland, wenn dem kein Einhalt geboten wird.“
Forderung nach lückenloser Aufklärung und der Umsetzung von Kontrollen
Derzeit stehen vor allem die Kontrollmechanismen der Zertifizierer in der Kritik. In der EU gibt es 15 anerkannte Zertifizierungssysteme, darunter das führende International Sustainability and Carbon Certification (ISCC) mit Sitz in Köln. Trotz anhaltender Betrugsvorwürfe und der Aberkennung von Nachhaltigkeitszertifikaten für mehrere chinesische Unternehmen bleibt die genaue Aufklärung unklar. ISCC überlässt die Kontrolle seinen Auditoren, die unter staatlicher Aufsicht stehen. Auditor Rüdiger Meier äußert im Panorama 3-Beitrag Zweifel an der Zertifizierung von Biokraftstoffanlagen in China. Europäische Prüfgesellschaften arbeiteten in China oft mit lokalem Personal, und ob die Regeln tatsächlich eingehalten würden, bleibe auf dem Papier unklar, so Meier.
Nicht nur die deutschen Biodieselproduzenten, sondern auch einige mittelständische Mineralölunternehmen fordern nun eine lückenlose Aufklärung der Vorfälle und Transparenz in den Geschäftspraktiken.
Doch weitreichende politische Gegenmaßnahmen lassen auf sich warten: Nach aktuellen Informationen des Bundesumweltministeriums gegenüber Argus vom 30. November 2023 strebt die Bundesregierung Maßnahmen gegen fehlerhafte Nachhaltigkeitszertifikate an. Allerdings nicht vor Umsetzung der geänderten EU-Richtlinie für erneuerbare Energien (RED III). Die Frist hierfür endet im Mai 2025.
„Türöffner für Betrug in anderen Branchen“
Claus Sauter sieht eine große Gefahr darin, dass die mutmaßlichen Betrügereien in der Kraftstoffbranche auch auf andere Industriezweige übergreifen. Im Panorama 3-Beitrag sagt er: „Dieser Betrug im großen Stil ist ein Türöffner für Betrügereien in anderen Branchen mit Nachhaltigkeitsbestrebungen. Neben dem gesamtwirtschaftlichen Schaden, der dadurch entsteht, bedeutet das auch Fake-Klimaschutz“.
Mehr Informationen zu den Betrugsvorwürfen bei Biodieselimporten aus China und den Hintergründen finden Sie im Panorama 3-Beitrag sowie im themenspezifischen #strohklug-Podcast.