- VERBIO-Chef und Energieexperte Claus Sauter erklärt, wie chinesische Firmen klimaschädliches Palmöl als grünen Biodiesel nach Deutschland bringen
- Wertschöpfungsketten grüner Industrie in Deutschland bedroht – wenn die Bundesregierung nicht gegen chinesische Fake-Produkte vorgeht
- Bessere Kontrollen und härtere Strafen für Importeure und Nutzer unumgänglich
- Neue Ausgabe des Podcasts #strohklug ab jetzt verfügbar
Leipzig, 8. August 2023 – China überschwemmt den deutschen Markt mit riesigen Mengen Biodiesel, der vermutlich aus Palmöl hergestellt wird. Dieser Klimakiller wird in China zu besonders nachhaltigem grünem Kraftstoff aus Reststoffen umetikettiert – diesen Verdacht teilt Claus Sauter, Vorstandsvorsitzender der VERBIO AG, mit anderen Branchenexperten.
„Das ist ein neuer Dieselskandal: diesmal wird nicht die Hardware manipuliert, sondern der Kraftstoff“, sagt der Energieexperte. Am Ende leiden nicht nur die Biokraftstoffproduzenten, sondern die gesamte grüne Industrie in Deutschland, wenn dem kein Einhalt geboten wird.
In der aktuellen Ausgabe seines Podcasts #strohklug findet Claus Sauter deutliche Worte:
… über das Ausmaß des Skandals und die Folgen für den deutschen Markt:
Derzeit ist Biodiesel in Europa der bedeutendste Biokraftstoff. Dabei ist in Deutschland und der EU Palmöl als Rohstoff nicht mehr gewünscht. Dementsprechend wird hier seit Anfang dieses Jahres Biodiesel aus Palmöl nicht mehr auf die Quote zur Reduktion von Treibhausgasen angerechnet. Im Gegensatz dazu gilt Biodiesel aus Reststoffen als besonders klimafreundlich und wird sogar doppelt auf die in Deutschland von den Mineralölgesellschaften zu erfüllende Treibhausgaseinsparungsquote angerechnet.
Claus Sauter und die Branche beobachten: „Plötzlich kommen, wie aus dem Nichts, große Mengen fortschrittlicher Biodiesel aus China. Die Chinesen bieten dieses Zeug zum halben Preis an, obwohl allein die Frachtkosten aus China nach Europa 20 Prozent des Produktpreises ausmachen.“
„Allein im Januar kamen mehrere tausend Tonnen von diesem vermeintlich fortschrittlichen Biodiesel aus Frittenfett von China nach Europa. Ich behaupte, es gibt weder die Anlagen noch die Mengen an Reststoffen für fortschrittliche Biokraftstoffe in China, und das ist das Problem, was wir aktuell haben: Ein großer Spieler spielt mit unfairen Mitteln.”
„Weil hier der besondere Anreiz der Doppelanrechnung besteht, fließt der größte Teil dieser umetikettierten Ware im Moment nach Deutschland“, erklärt Sauter.
„Es hat gravierende Auswirkungen auf den gesamten Markt, nicht nur auf die Industrie, sondern auch auf den landwirtschaftlichen Markt und damit auf die Bauern. Vor Jahresfrist kostete Raps ungefähr 1.000 € die Tonne, und jetzt reden wir über 450, also mehr als 50 Prozent Preiseinbruch.“
Sauter ergänzt: „Im Moment laufen wir wirklich Gefahr, dass ein Großteil der Frittenfett verarbeitenden und auch Reststoffe verarbeitenden Biodiesel-Produzenten in Europa pleitegehen, dass wir also diesen Teil der Wertschöpfungskette genauso wie damals bei Solar und Wind an die Chinesen verlieren! Wir haben ja lokale Produktion, wir sind auch technologisch ganz weit vorne. Aber wenn einer falsch spielt und ein vermeintlich minderwertiges Produkt als hochwertiges verkauft, haben wir hier keine Fairness! Das führt dazu, dass derzeit vor allem den Produzenten von Biodiesel aus Frittenfett und Reststoffen die Wirtschaftsgrundlage entzogen wird.“
… warum VERBIO einen Vorteil im schwierigen Marktumfeld hat
VERBIO ist vom aktuellen Biodiesel-Skandal nicht direkt betroffen, denn: „Wir nutzen Raps bzw. Rapsöl als Rohstoff, weil wir in unserem Prozess gleichzeitig hochwertige Nebenprodukte her-stellen. Dafür brauchen wir Qualität im Input. Zum Beispiel in der Zahnpasta ist Glyzerin von VERBIO drin. Da gibt es hohe Qualitätsanforderungen, und die müssen wir erfüllen. Deshalb haben wir immer auf Rapsöl als Rohstoff für unsere Produktion gesetzt.“
Außerdem sei VERBIO inzwischen deutlich breiter und international aufgestellt und technologisch führend: „Wir sind bei VERBIO mittlerweile international tätig. Wir kennen den US-amerikanischen Markt, das ist der größte der Welt. Wir wissen, wo wir technologisch stehen. Vor den Chinesen müssen wir keine Angst haben.“
… darüber, wie der aktuelle Skandal auch andere Industriezweige gefährdet:
„Heute ist es der Biodiesel, morgen ist es grüner Stahl, Aluminium, Wasserstoff. Jedes dieser Produkte hat einen fossilen Bruder. Da bringen morgen die Chinesen schiffsweise Wasserstoff nach Europa, den sie vielleicht aus russischem Gas hergestellt haben, hängen einen Zettel dran und sagen: ‚Ja, das ist jetzt aus erneuerbarem Strom, den wir mit unseren Solarzellen produziert haben, hergestellt.‘“
„Wenn wir unsere Industrie in Europa umstellen, auch in Deutschland, und einfordern, dass diese CO₂-arme Varianten anbietet, und dann kommen die Chinesen mit grünen Fake-Produkten, dann blasen wir hier der Industrie das Licht aus und erhöhen die Abhängigkeit von China noch zusätzlich.“
… über fehlende Kontrollen und Konsequenzen:
An sich sei das Kontroll-System in Deutschland und Europa gut. Zertifizierungsunternehmen prüfen stichprobenmäßig welche Roh- und Reststoffe die Produzenten einsetzen, wo diese herkommen, unter welchen Bedingungen der Biodiesel produziert wird, wie viel Energie dafür aufgewendet wird – und ob zum Beispiel VERBIO überhaupt technologisch in der Lage ist, bestimmte Rohstoffe zu verarbeiten. Doch dieses System müsse auch gelebt werden, betont Sauter.
Denn beim Fake-Biodiesel aus China sei das anders: „Entscheidend ist, welche Rohstoffe zum Einsatz kommen, und das kann ich nur kontrollieren, indem ich nach China gehe und es an-schaue. Genau das passiert aber im Moment nicht.“ Unter anderem aufgrund des langen Covid-Lockdowns war es nicht möglich, die chinesischen Anlagen zu überprüfen – und auch jetzt lassen die Chinesen keine Audits zu. Darum fehlt, so Sauter, eine ähnliche Prüfung, wie sie in Deutschland verlangt ist und umgesetzt wird.
„Natürlich gilt die Unschuldsvermutung. Aber dann wäre es ja mal gut, dahinzugehen, und das heißt vor Ort zu zertifizieren und zu prüfen, so wie es die Behörden auch bei uns machen. Aber das passiert im Moment nicht, weil die Chinesen keinen reinlassen.“
Sauter fordert Konsequenzen. Die fraglichen Mengen aus China dürften nicht auf die Erfüllung der THG-Quote in Deutschland angerechnet werden, solange der eingesetzte Rohstoff nicht vor Ort eindeutig geprüft und zertifiziert werden könne.
Sauter meint: „Die Strafe muss sein, dass man sagt: ‚Hey [liebe Mineralölgesellschaften] ihr habt eure Anforderungen nicht erfüllt, das streichen wir jetzt mal, und für die Mengen [CO₂-Einsparung], die ihr nicht erfüllt habt, bezahlt ihr zusätzlich nochmal die Strafe dafür, dass ihr versucht habt zu betrügen.‘“
Darüber hinaus braucht es höhere Hürden für die Importeure: etwa eine Lizenz für den Import, die an die Erfahrung des Importeurs und finanzielle Bürgschaften gekoppelt ist. Wichtig sei zu-dem, dass die Prüfenden bei Zertifizierungsunternehmen und Kontrollbehörden zweckmäßig ausgebildet sind: Hier brauche man zukünftig Ingenieure, welche die technologischen Anforderungen verstehen.
… über die Politik, die nun gefordert ist:
Mit Blick auf die Politik fordert Sauter: „Man muss einfach politisch erkennen, dass man knallharte Regeln braucht, und diese knallharten Regeln, die müssen umgesetzt werden, und es darf nicht sein, wie es heute aktuell passiert: dass ich für einen lokalen deutschen europäischen Produzent härtere Regeln anwende als für Importe.“
Die neue Ausgabe des Podcasts #strohklug mit dem Bioenergieexperten Claus Sauter ist ab sofort bei Apple Podcasts, Deezer, Google Podcast, Spotify und im Web auf www.strohklug.de zu finden.